KI und Kommunikation
Zwischen Faszination und feinen Grenzen
Zwischen Faszination und feinen Grenzen
Wenn du diesen Artikel liest, hast du wahrscheinlich schon Bekanntschaft mit künstlicher Intelligenz gemacht – vielleicht hier und da mal mit ChatGPT geplaudert, eine Mail automatisch zusammenfassen lassen oder sogar eine Coaching-Frage eingegeben, um zu schauen, was „die Maschine“ dazu meint.
Die Faszination ist groß: Diese Programme sprechen mit uns. Schnell, freundlich, meist erstaunlich sinnvoll. Das ist einerseits beeindruckend – und andererseits stellt sich sofort die Frage: Was passiert eigentlich mit echter Kommunikation, wenn die KI immer mehr übernimmt?
Noch spannender: Kann KI Gespräche führen, die tief gehen? Gespräche, die etwas in uns bewegen, die nicht nur Antworten liefern, sondern uns berühren?
Darüber möchte ich mit dir nachdenken – aus meiner eigenen Erfahrung heraus, mit Beispielen aus der Praxis, aber auch mit einem wachen Blick dafür, was KI nicht kann (auch wenn sie sich manchmal verdammt gut verkauft).
Was Kommunikation eigentlich ausmacht
Vielleicht kennst du das: Du unterhältst dich mit jemandem, es geht um ein Thema, das dich beschäftigt – und plötzlich sagt dein Gegenüber gar nichts. Stattdessen schaut sie dich einfach nur an, mit einem Blick, der dich wirklich sieht. Du spürst: Hier ist jemand, der gerade ganz da ist. Der nicht nur zuhört, sondern mit dir im Raum ist. Vielleicht kommen dann ein paar leise Worte, ein einfaches „Hm“ oder „Erzähl mal weiter …“ – und genau diese kleinen Gesten öffnen plötzlich etwas Großes in dir.
Das ist Kommunikation. Nicht das Aneinanderreihen von Wörtern, sondern ein Zusammenspiel von Stimme, Mimik, Körpersprache, innerer Haltung. Ein lebendiger Prozess, der mehr ist als die Summe seiner Teile.
Die Forschung sagt: Nur etwa 20% unserer Kommunikation laufen über die eigentlichen Worte. Der Rest? Gestik, Mimik, Tonfall, Atmosphäre. Kurz: Das, was wir oft zwischen den Zeilen nennen. Und genau hier wird es spannend, wenn wir über KI sprechen.
Stark in Struktur, schwach in Spontaneität
Lass uns ehrlich sein: KI hat schon einiges drauf. Sie ist unschlagbar, wenn es darum geht:
Ich habe zum Beispiel selbst mal mit ChatGPT ein kleines Focusing-Gespräch ausprobiert. Das Spannende: Es hat wirklich gut funktioniert. Die Fragen kamen in der richtigen Reihenfolge, freundlich formuliert, ohne Bewertung. Und: Ich kam tatsächlich an ein paar innere Bilder heran, die mir weitergeholfen haben.
Warum? Weil Focusing (wie viele Methoden) strukturiert ist. Da geht es nicht darum, auf jede noch so kleine Nuance einzugehen, sondern eher darum, einen festen Rahmen zu halten, innerhalb dessen ich selbst arbeite.
Auch in anderen Bereichen – zum Beispiel beim Moderieren eines Meetings oder beim Abfragen von Fakten – ist KI ein super Helfer. Sie kann strukturieren, sortieren, Klarheit bringen.
Aber … und jetzt kommt das große ABER … sobald es lebendig wird, sobald ein Gespräch unerwartete Wendungennimmt, sobald Gefühle ins Spiel kommen, stößt die KI (noch) an ihre Grenzen.
Wenn Zuhören mehr ist als Warten aufs eigene Reden
In der Welt der KI geht es viel um Datenpunkte, um Muster, Wahrscheinlichkeiten. Ein KI-System analysiert, was du schreibst oder sagst, und gleicht das mit Abermillionen von Texten ab, die es „gelernt“ hat. So entsteht ein passender nächster Satz – oft beeindruckend gut. Aber: Dieses „Verstehen“ ist kein echtes Verstehen.
Denn Resonanz – die feine Kunst des Mit-Schwingens – passiert nicht auf der Ebene von Daten. Sie passiert leiblich, emotional, in einem Raum, der mit Technik nichts zu tun hat.
Ein Beispiel aus meiner eigenen Arbeit: Ich sitze einem Menschen gegenüber, der mir von einem schweren Moment erzählt. Irgendwann sagt sie: „Es war alles so… still.“ Nur dieses eine Wort bleibt hängen: still. Aber wie sie es sagt! Ihre Stimme wird dabei so leise, dass ich kaum noch etwas höre. Ihre Schultern sinken, ihr Blick geht zu Boden. In mir entsteht ein Gefühl von Schwere, fast Beklemmung. Genau hier weiß ich: Das ist der Punkt. Also frage ich nicht einfach weiter, sondern halte erst einmal inne. Vielleicht sage ich nur: „Still…?“ Oder ich lasse Raum entstehen, in dem sie weiter sprechen kann.
Diese Entscheidung – jetzt nicht weiterfragen, sondern den Moment würdigen – ist nicht kognitiv. Sie ist ein Spüren. Eine Resonanz zwischen zwei Menschen, die kein Programm der Welt heute erfassen kann.
Warum echte Begegnung unersetzbar bleibt
In jedem Gespräch wirken Ebenen mit, die uns oft gar nicht bewusst sind. Unsere Körper senden Signale aus: ein leichtes Zucken der Mundwinkel, ein tiefer Atemzug, ein nervöses Tippen mit den Fingern. Auch der Tonfall verrät vieles: Wird die Stimme brüchig? Zittert sie vor Wut oder Trauer?
Als Gesprächsbegleiterin nehme ich all das wahr. Vielleicht nicht immer bewusst, aber mein ganzer Körper ist ein Resonanzorgan. Manchmal bekomme ich selbst Gänsehaut, wenn mein Gegenüber ein bestimmtes Bild verwendet. Manchmal merke ich ein kleines inneres Aufmerken, wenn ein bestimmtes Wort fällt. Genau das führt mich dann zu meinen nächsten Fragen.
KI? Die hat dafür keine Antennen. Sie erkennt höchstens „das Wort klingt traurig“ – aber ob mein Gegenüber gerade die Stirn runzelt, ob die Augen feucht werden, ob eine lange Pause mehr sagt als tausend Worte – das bleibt für die Maschine ein blinder Fleck.
…vielleicht reden wir in 100 Jahren anders darüber
Ich bin ehrlich: Manchmal stelle ich mir vor, wie das in ein paar Jahrzehnten aussieht. Vielleicht sitzen wir dann mit Hologrammen auf der Couch, die nicht nur sprechen, sondern auch unsere Körpersprache spiegeln. Vielleicht gibt es „Resonanz-Bots“, die unsere Mimik analysieren und sogar einen wohligen Seufzer von sich geben, wenn wir etwas Bewegendes erzählen.
Aber wird das dasselbe sein? Ich glaube nicht. Denn auch wenn Maschinen eines Tages täuschend echt reagieren können – echte Begegnung entsteht aus etwas, das wir nicht berechnen können. Es ist dieses Unfassbare, dieses Menschliche, das zwischen uns lebt. Eine echte Verbindung ist nicht nur ein Austausch von Informationen. Sie ist ein Tanz, ein Spüren, ein Sich-berühren-Lassen.
Und mal ehrlich: Wer will schon, dass ein Computer einem auf die Schulter klopft und sagt: „Das hast du toll gemacht.“? Eben.
KI als Werkzeug, nicht als Ersatz
Meine Reise mit KI hat mir gezeigt: Diese Technologie ist ein fantastisches Werkzeug. Sie kann Prozesse begleiten, Struktur geben, sogar inspirieren. Aber sie kann (noch) nicht das ersetzen, was unsere Gespräche wirklich tief macht: die menschliche Resonanz.
Ob Idiolektik, systemische Beratung oder einfach ein ehrliches Gespräch unter Freund:innen – überall dort, wo es um Verbindung geht, braucht es ein echtes Gegenüber. Eine Person, die zuhört, bis sich etwas zeigt. Die nicht nur antwortet, sondern mitschwingt.
Vielleicht ist das die wichtigste Erkenntnis in dieser Zeit der Digitalisierung: Je mehr Technik wir haben, desto kostbarer wird das, was sie nicht leisten kann.
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